Tschüss Hamburg!
Die letzten Tage vor unserer Abreise vergehen wie im Flug. Wir feiern noch mal einen kleinen Abschied mit viel Sekt und Gebäck, drücken unsere Freunde und stürzen uns dann voll in die Reisevorbereitungen. Die Wohnungsübergabe ist erledigt, letzte Bestellungen sind angekommen. Kurz vor knapp montiert uns noch ein Freund das Koaxialkabel an unserer Vorderlampe, so dass wir jetzt beim Fahren Strom für unsere Geräte abzweigen können. Danke Edo, du lötest wie ein Gott! 🙂 Dann werden alle Radtaschen ein- und wieder ausgepackt, hin und her überlegt, sortiert, und alles wieder von vorne – bis es passt. Bis spät in die Nacht geht das so, dann sitzt alles an seinem Platz.
Am nächsten Morgen ziehen wir dann etwas übermüdet zum vorerst letzten Mal die Tür zu. Ein komisches Gefühl. „Hast du alles? Alles-alles??“
Dann fahren wir los, die ersten Meter mit vollem Gewicht. Ganz schön mächtig, so ein beladenes Rad, aber man gewöhnt sich doch schnell dran. Es liegt toll auf der Straße. Es geht vorbei an der Alster, am Jungfernstieg und all den uns so bekannten Gebäuden Hamburgs. Immer weiter raus aus Hamburg, bis wir kurz hinter Harburg einen ersten Stopp mit Bananenbrot einlegen. Danke für den tollen Reisesnack, Rebecca!
Tag 1: Frikadellen
Endlich sind wir aus der Stadt raus. Langsam wird uns die Umgebung gänzlich unbekannt und wir fahren durch immer mehr Wald und Natur. Für die erste Übernachtung suchen wir uns unterwegs einen Campingplatz, etwa 60 km von unserer Wohnung entfernt kommen wir dann in Sauensiek an, dabei wollten wir es eigentlich am Anfang ruhiger angehen lassen.
An unserem Platz angekommen, geraten wir recht bald mit unserem Campingnachbarn Marco ins Gespräch. Ein krasser Typ, der viele krumme Dinger in seinem Leben gedreht hat und dessen Weltansichten wir größtenteils gar nicht teilen. Komisch, wenn man so damit konfrontiert ist und irgendwie einen Umgang miteinander finden muss. Wir können uns dann doch ganz gut unterhalten, übers Kochen, über seine Oma und die beiden Möpse (also, Hunde!), die er von ihr übernahm und sehr liebte. Marco bietet uns später ein Bier und seine selbstgemachten Frikadellen an (natürlich nach dem Rezept von Oma, das Geheimnis ist die Salzbrezel im Teig) und wir reden noch eine Weile. Ziemlich platt vom ersten Tag geht es ab ins Zelt.
Tag 2: Heikos Moorblick
Wir haben in der Nacht ganz schön gefroren und verfluchen unsere Schlafsäcke (später erfahren wir, dass es unter 5 Grad kalt war, also hat unsere Ausrüstung doch soweit ihren Dienst getan und wir müssen da noch mal nachrüsten, wenn es später nach Südamerika geht!). Wir fahren weiter, immer grob Richtung Bremen. Wir stoppen in einem kleinen Dorf um Lebensmittel einzukaufen, Christopher geht rein, Gina wartet bei den Rädern. Wir beschließen direkt an Ort und Stelle Mittagspause zu machen, wir sind hungrig und der Lidl hat kostenfreies W-LAN. Also essen wir Ciabatta mit Käse auf dem Parkplatz in der Sonne. Erwartungsgemäß schauen die meisten Leute nur kurz irritiert rüber und gehen dann ihrer Wege. Nicht aber Rolf. Er kommt auf seinem Elektro-Mobil mit wehender Ukraine-Flagge angebrettert und möchte direkt alles wissen: Wer wir sind, was wir vor haben und wo es als nächstes hin geht. Er erzählt uns von seinem Leben als Bäckermeister in Kanada und Portugal, seinem legendären Butterkuchen und dem einen Mal als er Angela Merkel traf und sich mit ihr über richtig gute Sauerteigbrötchen unterhielt. Der Schlaganfall hat ihm jedenfalls nichts von seiner Lebenslust und Herzlichkeit genommen. Die Einladung zum Mittagessen müssen wir dennoch leider ausschlagen, denn weit haben wir es heute noch nicht geschafft. Schön, dass wir uns getroffen haben, Rolf!
Bei Lidl kaufen wir auch ein großes Glas Erdnusbutter, was fortan an Christophers Rad mitfährt. Wir werden im Laufe der nächsten Tage oft auf unser besonderes “fuel” angesprochen!
Die Fahrt geht weiter durch wunderschöne Dörfer mit alten Fachwerkhäusern und wir stoppen immer wieder für Fotos. Wir organisieren uns zum ersten Mal einen Schlafplatz über die Plattform „1 nite tent“ bei Heiko in Tarmstedt. Die Fahrt geht durch ein Mohrgebiet und viele landwirtschaftlich genutzte Flächen. Bei Heiko angekommen werden wir mit Getränken begrüßt und schlagen unser Zelt unter den blühenden Apfelbäumen auf. Er lebt mit seinem Sohn Nick in einem echten Naturparadies. Inmitten der schnurgeraden, einheitlich bewirtschafteten Wiesen ist ihr Grundstück hubbelig und voller verschiedener Pflanzen und Tiere.
Wir kommen schnell ins Erzählen. Heiko hat letztes Jahr eine Motorradtour auf seiner Honda an der Grenze Deutschlands entlang gemacht und dabei die äußersten Punkte des Landes in allen Himmelsrichtungen besucht. Dabei hat er selbst durch 1 nite tent Übernachtungsmöglichkeiten gefunden und dann nach seiner Rückkehr direkt ganz begeistert selbst sein Zuhause auf der Plattform angeboten. Echt eine super Sache!
Dann dämmert es auch schon langsam und wir wollen gerade kochen – Heiko möchte uns aber unbedingt noch den Sonnenuntergang zeigen, allerdings am hinteren Ende seines langen Grundstücks, von wo aus man den besten Blick hat. Doch die Zeit ist schon knapp und so werden wir kurzerhand in seinen alten Van eingeladen und brettern über die Wiese, dem Sonnenuntergang entgegen. Heiko, du bist verrückt! 🙂
Wir kochen uns noch ein Mie-Nudel-Durcheinander mit Gemüse und krabbeln dann in unser Zelt – mit Wolldecken bewaffnet, denn es wird wieder eine kalte Nacht.
Tag 3: Bremen und eine Nacht zwischen Kakteen
Am nächsten Morgen kommt Heiko gerade von der Nachtschicht zurück. Er liefert Futtermittel an die Landwirte in Norddeutschland. Im Gepäck frische Brötchen für uns, und selbst gemachte Marmelade gibt es auch noch dazu. Wir sind total geplättet von so viel Gastfreundschaft! Eine Marmeladensorte ist besonders: Möhre-Apfel. Ergebnis eines Missgeschicks beim Griff ins Gefrierfach, aber dennoch wirklich lecker!
Dann vermittelt uns Heiko noch direkt an den nächsten Milchbauern ums Eck, der eine Große LKW-Waage hat, auf die wir unsere Räder fahren dürfen. Das Ergebnis: 120 Kilo wiegen beide Räder zusammen. Da muss wohl noch einiges abgespeckt werden, bis wir die ersten Berge erreichen… Wir machen schon Pläne und arbeiten an Optimierungen, die wir euch noch wissen lassen.
Wir steuern Bremen an. Eine unbekannte Stadt mit voll beladenem Fahrrad zu durchqueren, Fußgängern auszuweichen, immer wieder an roten Ampeln anzufahren und noch die Navigation im Auge zu behalten ist eine ganz schöne Herausforderung.
Die Strecke hinter der Stadt ist weniger spannend und die Radwege sind oft voller Baumwurzeln, die uns unsere untrainierten Hintern auf den neuen Brooks-Sätteln deutlich spüren lassen. Wir quälen uns ein bisschen und kommen abends bei unserem Gastgeber Andreas und seinem Sohn Falko im Ort Huntlosen an. Andreas bietet uns für die kalte Nacht sein Gewächshaus an, er löst gerade seine Kakteensammlung auf und drinnen ist Platz für zwei Isomatten. Wer Gina kennt, weiß was das für eine Traum-Location ist!!
Wir trinken noch einen Tee zusammen und tauschen uns zu allerlei Equipment aus. Falco schaut sich interessiert unseren Forumslader an. Er ist ein echter Daniel Düsentrieb und hat sich schon vor Jahren eine eigene Powerbank aus einem e-Bike Akku gebastelt, sieht wild aus, das Teil!
Tag 4 und 5: Pause am See
Wir fahren auf Empfehlung von Andreas am nächsten Morgen einen kleinen Umweg zu einem Waldgebiet mit vielen alten Teichen einer Fischzucht. Nur ein Teil ist noch in Betrieb und überall lauern Reiher auf ihre Beute. Wir machen Halt am Hauptgebäude, wo ein Motorradclub gerade zu einer Führung über das Gelände aufbricht. Wir werden kurzerhand eingeladen mitzukommen und geben bestimmt ein lustiges Bild ab, wie wir da als zwei bunte Punkte inmitten der schwarz angezogenen Gruppe spazieren. Bei der Führung erfahren wir ziemlich spezielle Dinge. Karpfen brauchen zum Laichen Gras am Bach, die Teiche sind 1,5 Meter tief und der Betrieb hat sich die Technik der Obstbauern zu Nutze gemacht und große Netze aufgespannt, um Raubvögel von den Teichen fern zu halten. Wir werden hinterher sogar noch zum Picknick eingeladen, bis sich die Gruppe dann mit lauten Motoren wieder auf den Weg macht.
Unsere Etappe ist nur etwa 40 Kilometer lang und wir sind nachmittags an der Thülsfelder Talsperre, wo wir einen günstigen Campingplatz buchen und direkt mal zwei Tage bleiben. Wir waschen Wäsche, laden sämtliche Geräte auf und spazieren zum See. Tut gut, einfach mal Pause zu machen.
Tag 6: Ankunft in Meppen
Heute fahren wir die letzte Etappe in Deutschland. Wieder über 1 nite tent haben wir einen Zeltplatz im Garten von Marlen und ihrer Familie gefunden. Alles ist sehr liebevoll angelegt, ein kleiner Wasserlauf lockt sämtliche Vögel der Umgebung an und viele selbst getöpferte Figuren verstecken sich zwischen den Pflanzen. Erst am Morgen entdecken wir die Schlange im Baum!
Wir bauen unser Zelt auf und kochen uns ein Quinoa-Durcheinander mit Tomatensauce, Zucchini, veganen Fleischbällchen und Feta. Den Quinoa hatten wir noch zu Hause gehabt und haben ihn heute den Tag über in einer der Wasserflaschen eingeweicht um die Kochzeit zu verringern – hat auch ganz gut geklappt, wir werden das auch noch mit Reis und anderen Dingen testen.
Tag 7: Erdnussbutter und die erste Landesgrenze
Am Morgen frühstücken wir mit Marlen auf der Terrasse und sprechen über Reisepläne und Ausrüstung. Dabei erwähnt Christopher das Erdnussbutter-Glas an seinem Rad. Marlen fragt auf einmal ganz gespannt: “Und, welche Sorte habt ihr?”. Ehrlicherweise ist es nur ein großes Glas von Lidl, nichts besonderes… Marlen verschwindet im Haus und kommt mit einem Glas JIF-Peanutbutter wieder. Original-Import aus den USA, wo ihr Mann beruflich immer wieder hin fliegt und genau diese Erdnussbutter dann kofferweise mitbringt! Vielen Dank Marlen, wir haben sie mittlerweile am Rad angebracht und probiert und sie ist wirklich sehr lecker!
Kurz nach Meppen verlassen wir Deutschland und fahren schon in die Niederlande! Nicht nur von der Qualität der Radwege her ein direkter Kontrast. Wir durchqueren ein großes Torf-Gebiet, das sich über die Grenze erstreckt. Auf deutscher Seite viel Abbau, Windkraftanlagen und schlechte Straßen. In den Niederlanden ein Naturschutzgebiet voller Vögel und mit vielen belebten Rad- und Wanderwegen.
Ein kleines Fazit soweit:
Abenteuer kann man wirklich direkt vor der Haustür erleben. Warmshowers und 1 nite tent sind großartige Plattformen mit einer tollen Community! Wir wurden immer sehr herzlich empfangen und werden definitiv auch Reisende beherbergen, wenn wir wieder zurück sind. Wir sind bis hierhin knappe 300 km gefahren. Gina braucht später unbedingt ein Kakteengewächshaus! Wir müssen die Räder leichter packen, bald wird aussortiert. Und zu guter Letzt, Erdnussbutter passt zu allem!
4 Antworten
Liebe Kinder,
ich habe mit sehr großem Interesse eure Beiträge gelesen. Unglaublich, wieviel neue Eindrücke und Begegnungen in dieser kurzen Zeit schon gemeistert wurden.
Weiter gute Fahrt und guter Rückenwind mit Luft in den Reifen.
Oh ich liebe den ersten Bericht. Man ist beinahe mit dabei. In Gedanken sowieso jeden Tag. Ihr seid wundervoll und habt jede wud er Volke Begegnung und Erfahrung so verdient! LiebeLiebeLiebe!!!
So schön, dass Ihr uns mitnehmt auf Eurer Radreise! Es ist wie ihr schreibt, Abenteuer liegt immer direkt vor dem dicken Zeh. Ich freue mich sehr für Euch, dass Ihr so erbauliche Erfahrungen macht und, unter Anderem, von den Landschaften und Begegnungen Reserve für die Waden tanken könnt! Unsere Adleraugen kreisen voller Spannung weiterhin über Euren Berichten und Bildern, und wir freuen uns schon auf Eure baldige Rast in unseren Gefilden!
❤️ Susanne und Heinz ❤️
Auch späte Patentanten in den Cevennen reisen in Gedanken und mit dem Herzen mit euch mit – in Sonnenauf- und Untergänge, in Kakteenhäuser, zu spannenden Begegnungen und in eine ganz besondere Freiheit :-)))