Im Land der perfekten Radwege

Unser Land Nummer Zwei! 

Wir fahren die ersten Meter durch die Niederlande! Der Kontrast ist direkt spürbar. Wo auf deutscher Seite Torf abgebaut wird, schlängeln sich hier Radwege durch das Naturschutzgebiet Bargerveen und wir genießen die schöne Strecke.

Wir wollen zum ersten Mal das Netzwerk Warmshowers ausprobieren und finden eine Unterkunft in Coevorden. Wir haben uns für den Abend bei Hans und Gea einquartiert und Hans schickt direkt mal eine Komoot-Route rüber. Der Empfehlung folgen wir doch gerne! Es geht durch wirklich malerische Dörfer mit viel Fachwerk und Pflasterstraßen, rechts und links Schafwiesen voller neugeborener Lämmer. Besonders hübsch ist es in Schoonebeek, man möchte in jedes Haus direkt einziehen.

Die ersten Meter durchs Naturschutzgebiet.
Glücklich über so tolle Radwege!
Vor lauter schöner Dörfer das Essen nicht vergessen!
Den Flaschenhalter als Oliventransport umfunktioniert.

Hans empfängt uns sehr herzlich mit einem kalten Bier. Wir sitzen im Garten unter blühendem Goldregen und erzählen von unserer Tour, von unseren Erlebnissen und unserer Ausrüstung. Hans und Gea berichten über Urlaube in Asien und die starken Kontraste zwischen Arm und Reich in Indien, und eben trotzdem die Faszination für dieses Land.

Wir beziehen unser Gästezimmer und duschen erst mal heiß. Dann essen wir zusammen und es gibt ein richtiges Festessen aus Kartoffeln, weißem Spargel und Salat. Wahnsinn! Zum Nachtisch dann Joghurt mit Erdbeeren. Das ist übrigens etwas, das uns ausnahmslos jeder unserer Gastgeber in den Niederlanden serviert hat! Mag an der Jahreszeit liegen, oder sind die Niederländer einfach Erdbeer-verrückt?

Nach einer Nacht wie auf Wolken in einem richtigen Bett und einem Frühstück mit reichlich Erdnussbutter und anderen leckeren Dingen sind wir ganz selig vor lauter Gastfreundschaft. Das obligatorische Selfie vor den Fahrrädern darf natürlich nicht fehlen und dann geht es auch schon weiter. 

Obligatorisches Foto vor den Fahrrädern mit Hans und Gea.

Natur pur. 

Hans hatte uns nicht nur eine tolle Route zu seinem Haus bereitgestellt, sondern auch direkt für den nächsten Tag ein paar Highlights markiert. Also nehmen wir einen kleinen Umweg Richtung Norden, anstatt mehr oder weniger weiter horizontal auf Amsterdam zuzusteuern. Der Weg führt uns durch den Nationaal Park Dwingelderveld. Was für eine schöne Route schon wieder! Es ist ziemlich heiß und da kommt der große Waldabschnitt genau richtig. Natürlich wieder mit perfekt ausgebautem Radwegenetz. Wirklich beeindruckend.

Im Nationaal Park Dwingelderveld.
Spiegelbild!
Super Mittagessen: Kichererbsensalat. Rezept folgt!
Der Wald weicht einer steppenartigen Landschaft.

Abends kehren wir bei Jan und seiner Frau in Steenwijk ein. Er hat mit seiner Familie und den damals noch kleinen Kindern schon viele Teile der Welt mit dem Rad bereist und erzählt uns allerlei Geschichten. Wir sind gerade beim Abendessen, als noch zwei weitere Radreisende eintreffen: John und Frosene aus Seattle. Sie hatten sich ganz schön verfahren und es lagen viele Fähren auf ihrem Weg, deshalb war es später geworden. Es ist toll, zum ersten Mal auf unserer Reise andere Radreisende zu treffen! Wir haben uns viel zu erzählen und es decken sich lustige Zufälle auf, so war Frosene‘s Mutter zum Beispiel auf der gleichen Hochschule wie Gina in ihrem Auslandssemester. Darauf ein kräftiges „Rock chalk, Jayhawk, KU!“ (Kampfschrei der Kansas University)

Am nächsten Tag fahren wir einige Kilometer zusammen und besuchen das malerische (aber sehr touristische) Örtchen Giethoorn mit seinen vielen Brücken und Kanälen, bis sich unsere Wege trennen. Macht Spaß, so in einer Gruppe zu fahren!

Frosene und John begleiten uns ein Stück.
Der kleine Ort Giethoorn, schön, aber sehr touristisch.
Die Stimmung ist gut!
Die ganze Bande.
Schon fast unwirklich schön!
Wir biegen ab Richtung Westen, Frosene und John nach Osten.

Unser ständiger Begeleiter, der Wind.

Vor lauter Plauderei ist es schon spät und wir schaffen es nur noch bis Kampen. Kurz die Vorräte beim Lidl aufgestockt, dann fahren wir etwas abseits der Stadt zu einem Bauernhof-Camping „The Revehof“. An der Stelle ein Tipp, wenn man „Minicamping” googelt, findet man in den Niederlanden ganz nette kleine Plätze, die nicht direkt ein riesiger Ferienpark oder Wohnmobilstellplatz sind. Meist viel passender, wenn man klein und kompakt mit dem Zelt reist.

Der Hof liegt inmitten von Wiesen und es sind kaum andere Gäste anwesend. Die Duschen sind heiß, das Internet schnell und eine Picknickbank steht direkt in Reichweite. Bei den Aussichten bleiben wir doch gern zwei Tage!

Wir waschen eine ordentliche Ladung Wäsche und spannen eine Leine zwischen den Fahrrädern. Der Gegenwind und die Hitze heute haben uns erschöpft und wir „kochen“ schnelle Wraps mit Mais, Bohnen, Ruccola und Paprika zum Abendessen.

Wäsche waschen mit Style!

Wie üblich weckt uns der Vogelchor gegen 5 Uhr am nächsten Morgen und wir drehen uns genüsslich noch mal zur Seite, denn heute ist ja ein weiterer Tag am gleichen Platz geplant. Also noch mal dösen, das heißt, so lange bis uns ein beißender Geruch aus dem Zelt treibt. Der Bauer nebenan hat beschlossen, seine Felder mit ordentlich Gülle zu überziehen… Dann also doch weiterfahren! Schade drum. Auch die anderen Camper packen ihre Wohnwagen zusammen und so geht es dann erst recht spät gegen halb 10 für uns los. 

Der Gegenwind, der uns noch bis Amsterdam begleiten wird, meint es auch heute wieder gut mit uns und wir müssen ordentlich strampeln um vom Fleck zu kommen. Christopher hat vor ein paar Tagen ein bisschen zu heftig im zu hohen Gang reingetreten als er überholen wollte, und hat seitdem ein leicht angeschlagenes Knie. Und Gina’s noch im März operierten Knie geht es prima… Also fährt Christopher hinten und profitiert etwas vom Windschatten. Die Strecke ist teilweise nicht besonders spannend, und so fahren wir neben ein paar Stops in kleinen Orten eigentlich nur relativ stumpf gegen den Wind an. Die Übernachtungsplatzsuche gestaltet sich zuerst schwierig. Bei Warmshowers hat uns niemand geantwortet und so geht es dann eben wieder auf einen Campingplatz. Ziemlich erschöpft kommen wir an, kochen uns noch einen Topf Nudeln und planen die morgige Etappe.

Der zweite Campingplatz in Folge.

Weiter gehts, heute wollen wir in Amsterdam ankommen! Bei dem Wind ein ehrgeiziges Ziel… Die letzten Tage haben wir nur rund 55 km geschafft. Auch heute ist der Wind unglaublich stark und kommt direkt von vorne, in den (vielen) Pausen muss man wirklich aufpassen wie man das Rad abstellt, ohne dass es umkippt. Wir schleichen über den Damm, eingerahmt von hohem Gras und mit schöner Aussicht aufs Wasser, aber mit auch streckenweise nur 8–10 km/h.

Auf unserer Route liegen heute viele schöne Orte, so wie die kleine Stadt Naarden. Das historische Stadtzentrum ist von einer imposanten Mauer umgeben und jede Gasse wirkt wie gemalt. Immer wieder ein guter Moment zum stoppen, Ausruhen und Fotos machen. Doch kaum sind wir hinter der Stadtmauer, hat uns der Wind wieder. 

Unterwegs entscheiden wir, noch mal einen Campingplatz vor Amsterdam zu nehmen. Heute bis in die Stadt rein zu fahren, ohne dort eine Übernachtungsmöglichkeit zu haben, wäre blöd.

Der Radweg führt kurz vor Amsterdam direkt an der Autobahn entlang, so laut und immer noch so windig. Wir fahren durch (Fahrrad-)Tunnel und über Brücken, schlängeln uns irgendwie zwischen den großen Straßen lang und kommen dann endlich am Campingplatz an. 

Der Platz ist eher für die Durchreise und sowieso eigentlich für Wohnmobile ausgelegt und es gibt nur eine kleine Ecke für Zelte, direkt am großen Eingangstor, das nachts übrigens abgeschlossen wird. Komische Stimmung hier. Wir sind froh, endlich anzukommen und zu duschen, machen uns noch einen Salat im Wrap und bereiten uns auf die Nacht vor, denn es soll zum ersten Mal auf unserer Reise regnen.

Heute geht es dann also nach Amsterdam! Noch ist unklar, wo wir schlafen werden. In Städten ist das gar nicht so einfach, obwohl das Angebot groß ist. Wir verlassen den Campingplatz und besuchen noch unterwegs kurz Christophers Cousine, nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Eigentlich wollten wir bei ihr übernachten, aber das ging dann doch nicht. Während der Kaffee kocht, schreibt Gina noch ein paar Leute über Warmshowers an. Ganz schön kurzfristig… Doch tatsächlich kommt ein paar Minuten später ein Anruf. Kees und Carolien wohnen südlich von Amsterdam in Aalsmeer und bieten uns ihren Garten für zwei Nächte zum Zelten an. Erleichtert fahren wir weiter, denn jetzt können wir uns doch Zeit lassen, anstatt nur durch Amsterdam durch zu hetzen und dann weiter draußen irgendwo zu schlafen. 

Mit voll bepacktem Rad geht es also erst mal in die Innenstadt von Amsterdam und zu unserem lieblings-Restaurant/Imbiss: The Libanese Sajeria. Es ist schon ein Erlebnis, überhaupt in Amsterdam Fahrrad zu fahren, und dann auch noch mit so viel Gepäck. Es gibt zwar Radwege, Ampeln und gewisse Regeln, aber die meisten Leute fahren einfach wie sie wollen und irgendwie klappt das und keiner knallt aneinander. Trotzdem fließt ordentlich Adrenalin als wir versuchen, irgendwie durch das Wirrwarr von Kanälen mit Baustellen, Ampeln, Radfahrern, Fußgängern und Straßenbahnen zu navigieren. 

Jedenfalls kommen wir an, bestellen unseren geliebten Wrap und können es nicht fassen hierher geradelt zu sein! Unser erster, großer Zwischenstopp ist erreicht.

Verrückt, einfach hier hin gefahren zu sein!
So viele Häuser, die gezeichnet werden wollen.

Wir fahren weiter in Richtung Aalsmeer zu unseren Gastgebern durch den Amsterdamer Wald. So viel Natur, so nah an der Stadt! Wie gewohnt gibt es nur perfekte, breite Radwege. Es macht echt Spaß, hier zu fahren. Dann führt der Weg raus aus dem Wald und durch ein Industriegebiet mit riesigen Gewächshäusern. Geranien und andere Blumen und Zimmerpflanzen werden hier angebaut. Eine große Straße, rechts und links lange Glashäuser zwischen Kanälen mit Schilf und Enten. Christopher zeichnet später ein von diesem Ort inspiriertes Bild, dass zu einem T-Shirt Design wurde  (klick hier).

Kees und Carolien leben auf einem Hausboot. Zumindest ist es rechtlich gesehen eins. Eigentlich wollten sie einfach ein Haus bauen, aber bekamen dafür keine Genehmigung für ihr Grundstück. Ein Hausboot wäre aber in Ordnung. Kees informierte sich, was das heißt: Erstens: Das Hausboot muss schwimmfähig sein. Zweitens: Ein gewisses Maß ist einzuhalten. Drittens: Es muss an Wasser grenzen, darf nicht auf dem Trockenen stehen.

Kees und Carolien bauten also ein entsprechend schmales und langes Haus. Ein befreundeter Architekt empfiehlt ihnen, mit einem damals neuartigen Schaum-Beton für das Fundament zu arbeiten. Er berechnet die Traglast des Hauses und den Auftrieb des Betons und kam zu dem Schluss, dass das Haus so zumindest in der Theorie schwimmfähig wäre, wenn zum Beispiel eine Flut kommt. Punkt Eins und Zwei waren somit abgehakt. Fehlte nur noch ein schmaler Kanal, der hinten an die Rückseite des Hauses andockte, somit war es ja mit Wasser verbunden. So eine kreative Lösung!

Togehter we can Tempeh the world! 😉

Wir lauschen noch so vielen anderen, verrückten und inspirierenden Geschichten und verbringen zwei tolle Abende mit den beiden. Mit lauter neuen Ideen im Gepäck geht es auf zum zweiten Teil mit dem Rad durch die Niederlande.

5 Antworten

  1. Ihr trefft so viele tolle, ungewöhnliche und inspirierende Menschen, erlebt so viele wunderschöne Routen, Dörfer und Plätze. Das ist wohl alles in Allem ein Erlebnis (oder besser: der Anfang davon), das nur wenige Menschen in ihrem Leben er“fahren“. Schön, dass Ihr zwei das gemeinschaftlich teilen und genießen könnt.
    Wenn ich 50 Jahre jünger wäre, würde ich wohl gerne Teile Eurer Route nachfahren mit Susanne … Aber das geht nur noch per Zeitreise.
    Liebe Grüße von ganzem Herzen und weiterhin „Rad- und Speichenbruch“. Oder wie sagt man unter weltreisenden Radfahrern?

  2. Ihr Lieben,

    mit euren interessanten Berichten und Bildern versüßt ihr mir den Pfingstmontag. Gedanklich bin ich bei euren Touren dabei, wüßte aber, das ich das nicht mehr machen könnte. Geht mir wie Heinz, also per Zeitreise.
    Spannend bleiben die vielen Begegnungen mit den unterschiedlichen Menschen….
    Ich kanns gar nicht erwarten, euch zu sehen. Sind ja auch noch auf der Route 😍
    Als Dessert werde ich aber keine Erdbeeren anbieten, überlege mir etwas anderes.
    Seid ganz lieb gegrüßt und gedrückt. Mom❤️

  3. Wow, tolle Sache – alles richtig gemacht 😀
    Habt noch viele schöne und abenteuerliche Tage, Wochen, Monate, nette Kontakte und erholsame Unterkünfte!
    (Ich bin gerade bei einer Draußen-Übernachtungsrate von vier Tagen für dieses Jahr angelangt und werde – auch, wenn es ganz sicher noch deutlich mehr werden sollen – euch wohl nicht mehr einholen :-))))

    1. Vielen Dank! 🙂
      4 Tage ist auch schon was – wir haben selbst schon in den ersten Tagen der Reise festgestellt, dass es nicht viel (Distanz oder Aufwand) braucht, um Abenteuer zu erleben. Also weiter so! 😉

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